Ein schillerndes Panoptikum unterschiedlicher Persönlichkeiten und Lebenshaltungen präsentiert uns Juli Zeh in ihrem kritischen Gesellschaftsroman „Unterleuten“, in dem es um ein brandenburgisches Dorf geht, in dem die Idylle, die die Zugezogenen hier vermuten, nur Schein ist.

Jahrzehntelang entwickelte Loyalitäten und Animositäten brechen auf, als nämlich ein Windkraftwerk am Dorfrand errichtet werden soll, und das führt zu Gewalt, Ehekrisen und jeder Menge anderer Konflikte.

Dass neben viel Spannung, einer zügig voranschreitenden Handlung und vielen expliziten und impliziten Charakterisierungen der Figuren auch genug Platz ist für Kapitalismuskritik, Themen wie Ökologie oder Landflucht und auch ein bisschen DDR-Zeitgeschichte, beweist die Erzählkunst Juli Zehs, die mich schon des Öfteren fasziniert hat (siehe „Spieltrieb“ oder „Corpus Delicti“).

Insbesondere aber die vielen unterschiedlichen Figuren und ihre Beziehungen zueinander machen den Reiz dieses  mulitperspektivisch erzählten Romans aus. So kann man die Sichtweise des alteingesessenen Landwirts Gombrowski, der das Lebenswerk seiner Familie mit viel Energie und – ja, auch – Kaltblütigkeit zu erhalten versucht, genauso verstehen wie die seines Widersachers, dem immer zu kurz gekommenen Kommunisten Kron; man ist genauso fasziniert von der Entschlossenheit der neu zugezogenen „Pferdeflüsterin“ Linda Franzen wie von der Hingabe, mit der der gutmütige Bürgermeister Arne, der seine Frau erst nach ihrem Tod als Stasi-Agentin entlarvt hat, die Dorfgeschäfte führt; man ist genauso gerührt vom verzweifelten Versuch des Mechanikers Schaller, sein verpfuschtes Leben wieder in den Griff zu bekommen wie von der Mutterliebe, mit der die Frau des Ornithologen ihr Baby umhegt und vor aller Unbill des Dorfes schützen will…

Fazit: Sehr lesenswerter, flüssig und in konventionellem Erzählstil gehaltener Roman, der ob seines Umfangs viele Stunden Unterhaltung und Spannung bietet.